Titelbild - Segelboot bei schwerer See

Warum die Komfortzone beim Segeln kein guter Ort ist

In diesem Beitrag will ich von einer Beobachtung berichten, die ich nach dem Abschluss des SKS-Praxis-Segeltörns machte. In den zwei Wochen habe ich ein bestimmtes Segel-Umfeld kennengelernt und darin Erfahrungen gesammelt. Damit meine ich sowohl das Revier, in dem wir gesegelt sind, als auch das Segelschiff, auf dem wir unterwegs waren. Ich habe damals viel Neues (kennen-)gelernt. Warum ich durch diese Erfahrungen geprägt wurde und wie sich das später auf meine eigene Weiterentwicklung ausgewirkt hat, erfährst du in diesem Beitrag.

Wie unsere Segel-Erfahrung uns prägt.

Bei meinem Törn für den Sportküstenschifferschein (SKS) war ich zum ersten Mal eine längere Zeit auf einem Segelschiff unterwegs und segelte aktiv mit. So unwahrscheinlich es scheint, in Deutschland darf man segeln, ohne es vorher gelernt zu haben. Voraussetzung, um die Praxisprüfung des SKS anzutreten, sind allerdings mindestens 300 zurückgelegte Seemeilen auf einer Segelyacht. So weist man nach, dass man segeln kann und eine gewisse Routine darin hat. Ich entschied mich, meine Meilen im Herbst 2022 auf einem zweiwöchigen Ausbildungstörn zu sammeln. Unser Segelrevier war die Ostsee. Wir machten die Kieler Bucht und die dänische Südsee rund um die Insel Ærø (gesprochen Arrö oder Ärrö) unsicher. Unterwegs waren wir mit einer Willing 31, einem 10 Meter langen Segelschiff mit Groß- und Vorsegel und Pinnensteuerung. Auf den Törn selbst will ich in diesem Beitrag gar nicht näher eingehen. Dazu berichte ich auf dem Blog ein anderes Mal.

Etwa ein Jahr später plante ich meinen ersten eigenen Segeltörn als Skipper. Am Beginn der Planung stand das Finden und Chartern eines Segelbootes. Wonach ich Ausschau hielt, ist sicherlich nicht schwer zu erraten. Ein Schiff auf der Ostsee sollte es werden. Am besten etwas Kleines und Schmales, dass leicht zwischen die Dalben passt, die in der Ostsee häufig die Anlegeboxen begrenzen. Als Segelrevier legte ich mich schnell auf die Dänische Südsee fest, vornehmlich, weil ich die kleinen dänischen Häfen zu lieben gelernt hatte. Was die Steuerung betrifft, da kamen nur Boote mit Pinnensteuerung in Frage.

Man sieht schon, dass mich meine Erfahrungen geprägt hatten und dass ich mich an ihnen orientierte. Ich wollte einen möglichst einfachen Segeltörn, bei dem ich mich in einer „gewohnten Umgebung“ befinde. Klingt doch erst einmal ganz logisch, oder? 

Jeder will in seiner Komfortzone bleiben.

Marco, ein ehemaliger Arbeitskollege, absolvierte seine SKS-Ausbildung durch Zufall ebenfalls in 2022. Allerdings fand sein 300-Seemeilen-Törn vor der kroatischen Mittelmeerküste statt. Marco war in seiner Kindheit schon gesegelt, wollte sein Wissen aber vor der Prüfung auffrischen. Außerdem brauchte er die Meilennachweise. Diese müssen zur Prüfung vorgelegt werden. Den Ausbildungstörn segelte er auf einem weit größeren Schiff als „meine“ kleine Willing 31. Dieses war noch dazu mit einem Steuerrad statt einer Pinne ausgestattet. Unterschiedliche Erfahrungen führen, wie wir gleich sehen werden, zu unterschiedlicher Prägung.

Auch Marco plante seine erste eigene Reise als Skipper für 2023. Sein Törn fand sogar noch früher statt als mein eigener. So kam es, dass wir uns genau zwischen den beiden Segeltörns, im Sommer 23, mal wieder zum Abendessen trafen. Natürlich hatten wir nur ein Gesprächsthema, das Segeln. Er brachte seine Erfahrungen mit, ich meine Pläne. Als Marco anfing, von seinem Törn im Mittelmeer zu berichten und Bilder zeigte, staunte ich Bauklötze. Anlegen mit Mooring-Leine? Ist das nicht schwierig? Schlägt ein Steuerrad nicht weniger direkt an als eine Pinne? Als ich daraufhin von meinen Plänen für die Ostsee-Charter erzählte, ging es ihm nicht anders. Er war überrascht, dass ich beim Ausbildungstörn eine Pinnensteuerung hatte. Das Anlegen in einer Box zwischen zwei Dalben klang für ihn herausfordernd, wo es für mich doch mittlerweile zu einem „alten Bekannten“ geworden war.

Wir waren uns einig, dass wir für unseren ersten eigenen Segeltörn niemals das Schiff oder das Revier des jeweils anderen gewählt hätten. Das Mittelmeer mit den unberechenbaren Windverhältnissen, von denen ich so viel gehört hatte? Nie im Leben! Die dänische Südsee mit ihren kleinen engen Häfen und Wassertemperaturen jenseits von Gut und Böse? Für Marco keine Option. Wir zogen es vor, in der für uns gewohnten Umgebung zu bleiben. An diesem Abend fiel mir zum ersten Mal auf, wie sehr wir doch durch unsere Erfahrungen beim Segeln geprägt wurden.

Routine schafft Sicherheit.

Ähnliches habe ich später bei dem schon angesprochenen Törn auf der Ostsee in 2023 festgestellt. Wir waren zu zweit auf dem Boot und wie es so häufig passiert hatte sich am Abend des zweiten Segeltages eine gewisse Routine eingespielt. Robert, mein Mitsegler, übernahm beim An- und Ablegemanöver die Pinne und den Motor. Ich flitzte auf dem Schiff herum, bereitete alles vor, knüpfte Knoten und warf Leinen über, beziehungsweise sicherte sie an den Klampen. Wenn wir draußen auf der See waren, bediente ich häufig die Großschot und Pinne, während sich Robert um die Fockschoten kümmerte. Jeder tat das, was ihm am meisten Spaß machte und was er am besten konnte. Das An- und Ablegen wurde immer sicherer und ruhiger, Wenden und Halsen führten wir zügig durch. Nach kurzer Zeit saß jeder Handgriff.

Am Ende der Segelwoche blickte ich zurück und erkannte, dass ich zwar viel gesegelt war, die Maschine im Hafen aber nur selten bedient hatte. Wieder kam mir der Gedanke, dass uns unser Wissen, unsere Erfahrung und unser Können doch sehr prägen. Sie bestimmen, was wir beim Segeln gerne tun und was wir lieber anderen überlassen.

Warum Erfahrung und Routine uns am Lernen hindern können.

Genau hier kann sich ein Problem aufbauen. Segeln ist mit seinen vielen Details, Tricks und Kniffen ein sehr komplexer Sport. Es gibt viel zu lernen und es dauert lange, ihn zu meistern. Daher ist es nicht unbedingt ratsam, sich nur auf das zu konzentrieren, worin man ohnehin gut ist. Um im Notfall auf dem Wasser auch allein zurechtzukommen, benötigt man Kenntnisse und Erfahrungen in allen Disziplinen des Segelns. Stell dir vor, ein Mitglied deiner Crew überfällt plötzlich die Seekrankheit und er kann seine Aufgaben an Bord vorübergehend nicht mehr erfüllen. In dem Fall muss jemand anders bereit sein, um beispielsweise die Leinenarbeit zu übernehmen, zu navigieren oder zu steuern. Gleiches gilt, wenn ein Unfall geschieht und man selbst vielleicht sogar „einhand“ zurück in den Hafen segeln muss. Stellt sich dann heraus, dass du bestimmte „Disziplinen“ oder „Handgriffe“ nicht beherrscht, weil es „der Andere doch sowieso besser kann“, verschlimmert das die Notsituation sogar noch.

Dies trifft auch aus das Schiff und das Segelrevier, das man wählt, zu. Hat man noch nie mit einem Steuerrad gesteuert und wählt sein Charterboot immer mit Pinne, erweitert man sein Wissen nie. Hat man immer nur seitlich am Steg angelegt, weil das „recht einfach“ ist, bekommt man spätestens dann Probleme, wenn ein Hafen angelaufen wird, bei dem das Anlegen nur in Boxen möglich ist. Weht dann noch ein starker Wind, kann man nur hoffen und beten, heil und unbeschädigt am Steg anzukommen.

Das zu tun, was man kennt und was man gut kann, ist natürlich einfacher, komfortabler und macht auch mehr Spaß. Das gilt nicht nur fürs Segeln. Auch bei anderen Sportarten oder der Arbeit ist es zu beobachten. So werden Spezialisten geschaffen, die eine Aufgabe besonders schnell und effektiv erfüllen. Sperrt man sich aber komplett gegen Neues und Ungewohntes, behindert das die eigene Weiterentwicklung.

Tipp Nr. 1

Mache dir klar, wo beim Segeln deine Stärken und Vorlieben sowie deine Schwächen und Aversionen liegen. Führe dir deinen letzten Törn vor Augen. Was hast du gerne gemacht? Was hast du anderen überlassen? Nur wer seine Komfortzone kennt, kann über sie hinausgehen.

Brich aus deiner Komfortzone aus!

Was kannst du also dagegen tun, bei Altem und Bekanntem zu verweilen? Die Antwort liegt auf der Hand. Du musst deine Komfortzone verlassen. Du musst dich trauen, Bereiche zu erkunden, in denen du unerfahren bist. Vielleicht musst du dich regelrecht dazu zwingen, Aufgaben zu übernehmen, in denen du dich unsicher fühlst.

Leichter gesagt als getan, oder? Keine Angst, du musst nicht gleich den großen Sprung wagen. Gehe lieber bewusste kleine Schritte. Wenn du beispielsweise mit mehreren Personen auf einen mehrtägigen Segeltörn gehst, bestimmt gemeinsam an jedem Tag einen „Skipper of the Day“. Dieser ist für die morgendliche Einweisung der Crew und die Planung des Törns verantwortlich. Außerdem ist er der Rudergänger beim Ab- und Anlegemanöver des Tages. Wechselt diese Rolle täglich. So lernt jeder die Aufgaben und Tätigkeiten des Skippers kennen. Gleiches gilt für alle anderen Aktivitäten an Bord. Wechselt euch beim Kochen ab, beim Anbringen der Fender und bei der Leinenarbeit an der Vor- und Großschot. Sind bei der Crew die entsprechenden Vorkenntnisse vorhanden, könnt ihr euch auch die Navigation und das Funken aufteilen.

Tipp Nr. 2

Bestimmt einen „Skipper of the Day“, der den Segeltag plant, die Einweisung macht und beim An- und Ablegen am Steuer steht. Wechselt diese Rolle täglich unter den Crewmitgliedern.

Was das Schiff und das Segelrevier betrifft, ist es ein größerer Sprung, sich in unbekannte Bereiche vorzuwagen. Meine Empfehlung: segel mit. Man muss nicht immer Skipper sein und selbst die Verantwortung tragen. Es gibt genügend „Hand gegen Koje“-Angebote, auf denen man in einer sicheren Umgebung den Umgang mit verschiedenen Schiffen und Revieren lernen kann. Wenn du ins kalte Wasser springen willst, kannst du bei der nächsten Charter natürlich auch gleich auf das Gewohnte verzichten und das Unbekannte wagen.

Na? Überzeugt?

Kommt dir das in diesem Bericht beschriebene Verhalten bekannt vor? Wenn ja, lass uns gemeinsam daran arbeiten. Hier und jetzt. Lass uns eine Vereinbarung zum Durchbrechen unserer Komfortzone schließen. Mein Teil der Vereinbarung: Bei dem nächsten mehrtägigen Segeltörn werde ich dafür sorgen, dass ich alle Facetten des Segelns aktiv erlebe, auch diejenigen, die herausfordernd sind, mir schwerfallen oder vor denen ich Angst habe. Offen ausgesprochene und aufgeschriebene Vereinbarungen sind oft effektiver als im Inneren mit sich selbst geschlossene. Wenn du also auch Verbindlichkeit in das Durchbrechen deiner Gewohnheiten bringen möchtest, kannst du das hier tun. Hinterlasse einfach einen Kommentar weiter unten und beschreibe, wie du deine Komfortzone zukünftig aktiv verlassen willst. Lass uns gemeinsam mutig sein und neues Erlernen!

Ahoi und bis bald!

Links:

Hand gegen Koje – Mitsegeln und Kojencharter (https://www.handgegenkoje.de/)

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