Beidrehen und Beiliegen – Das Segelmanöver zum Durchschnaufen
Im Herbst 2021 bereitete ich mich auf die praktische SKS-Segelprüfung vor. Dazu entschied ich mich für einen zweiwöchigen Ausbildungstörn auf der Ostsee. Neben dem Sammeln der notwendigen Seemeilen für die Prüfung stand auch das Üben und Festigen der Segelmanöver auf dem Plan, die bei der Prüfung abgefragt werden. „Man kennt das ja“, dachte ich. Eine Wende, eine Halse, An- und Ablegen unter Motor und nicht zu vergessen, dass Mann-über-Bord-Manöver (oder Mensch-über-Bord oder Boje-über-Bord, wie man will…).
Umso erstaunter war ich, als der Skipper mit uns das „Beidrehen“ und „Beiliegen“ üben wollte. Noch nie gehört? Ich damals auch nicht. Beidrehen kannte ich bis dahin nur aus Piratenfilmen. „Beidrehen, Segel einholen! Boote zu Wasser lassen!“, und so weiter. Aber doch, Beiliegen/Beidrehen ist Teil der Prüfungsordnung für den SKS. Also lernte ich die Manöver kennen und habe festgestellt, dass sie nicht nur sehr einfach zu segeln sein. Sie können auf See auch enorm hilfreich sein. Um das Mysterium dieser Segelmanöver aufzulösen, werde ich im folgenden Beitrag zeigen, wozu sie da sind und wie man sie richtig fährt.
Was sind Beidrehen und Beiliegen überhaupt und was muss man beachten?
Um dich nicht weiter auf die Folter zu spannen: Was sind Beidrehen und Beiliegen? Beidrehen beschreibt ein Manöver, durch dass das Segelboot (auch bei ungemütlicherer See) in eine stille, stabile Lage gesetzt wird. Es treibt in diesem Zustand mit einer geringen Geschwindigkeit nach Lee mit den Wellen mit. So verlangsamst du das Boot auf wenige Knoten. Kommt es dabei zum Stehen und bewegt sich nicht mehr durch den Wind in den Segeln, nennt man das „Beiliegen“. Somit sind Beidrehen und Beiliegen miteinander verbunden, können meiner Meinung nach sogar als ein Manöver angesehen werden.
Das Ziel der Manöver ist es generell, Ruhe in das Boot und damit auch in die Crew zu bekommen. Wann und warum das nützlich ist, zeige ich im nächsten Abschnitt. Wichtig ist aber, sich bewusst zu sein, dass sich das Segelboot trotzdem noch auf dem Wasser bewegt. Es wird langsam Lee-seitig vertrieben, treibt also mit dem Wind. In dieser Richtung muss daher unbedingt freies Feld herrschen. Befinden sich dort andere Boote oder gar die Küste? Dann sollte man erst einmal weiteren Abstand gewinnen, bevor das Beidrehen eingeleitet wird. Außerdem sollten Position und Umgebung während des Beiliegens regelmäßig überprüft werden.
Wozu ist das Ganze gut?
Warum sollte man beidrehen und beiliegen? Wozu braucht man Stillstand und Ruhe im Boot? Wollen wir bei Segeln nicht vorankommen?
Natürlich besteht das Segeln in erster Linie daraus, sich durch die Kraft des Windes voran zu bewegen. Andererseits war wohl jeder schon einmal in der Situation, auf hoher See eine Pause zu brauchen, in einem hektischen Moment den Pause-Knopf drücken und durchatmen zu wollen. Nur funktioniert das auf dem Wasser im Normalfall nicht ohne Weiteres. Das Boot hat keine Handbremse. Mal kurz den Blinker zu setzen und Rechts ran zu fahren, ist keine Option. Das Beidrehen/Beiliegen-Manöver kommt aber zumindest nah heran. Man versetz sich in eine Lage, in der sich die Crew mehr um sich selbst kümmern kann und weniger um das Segelboot.
Eine Situation, in der eine Pause guttut, sind medizinische Notfälle. Damit sind keine lebensbedrohlichen Verletzungen gemeint, die ärztliche Hilfe benötigen. Es geht eher um kleine Wunden, die die Crew selbst versorgen kann. Eine Leine ist durch die Hände gerauscht, ohne dass man Segelhandschuhe getragen hat. Im Beilieger bleibt genügend Zeit, Salben aufzutragen und Verbände anzulegen. Kleine Schnitte können mit Pflastern versorgt werden. Leiden ein oder mehrere Mitglieder der Crew an Seekrankheit und können ihre Aufgaben nicht mehr erledigen, ist es hilfreich, die Lage erst einmal unter Kontrolle zu bringen. Man gönnt sich 15 Minuten Pause, kümmert sich um die Kranken, verteilt warme Decken und redet ihnen gut zu.

Wurdest du auf dem Wasser schon einmal von einem plötzlichen Regenschauer erwischt? Nichts Ungewöhnliches, oder? Auch hier verschaffen das Beidrehen und Beiliegen die nötige Pause. So hast du Zeit, deine durchweichte Kleidung zu wechseln und dir einen warmen Tee oder Kaffee zuzubereiten. Besser ist es noch, wenn du das Beiliegen nutzt, um dir vor einem heraufziehenden Squall schnell das Ölzeug überzuwerfen und in Gummistiefel zu steigen.
Wer sich beim Verrichten der Notdurft an Bord nicht unbedingt blaue Flecken holen möchte, ist ebenfalls gut beraten, beizudrehen. So hat man genügend Zeit und Ruhe und muss die Krängung des Schiffes auf dem Weg durch die Kabine nicht ausbalancieren. Gleiches gilt für das Kochen unter Deck. Es ist viel entspannter, mit den Wellen zu treiben statt sich zwischen Spüle und Herd einkeilen zu müssen.
Als Letztes, sind Beidrehen und Beiliegen, wie schon gesagt, relevant für die Prüfung des SKS. In meiner Prüfung wurden diese Manöver auch abgefragt. Wie du im nächsten Abschnitt sehen wirst, sind sie aber nicht schwerer zu fahren als eine normale Wende. Mit ein wenig Übung, da bin ich mir sicher, fühlst du dich mit ihnen wohl.
Manöverbeschreibung Beidrehen/Beiliegen
Nachdem du jetzt weißt, wozu man beide Manöver benötigt, kommen wir zur Ausführung. Beizudrehen und anschließen beizuliegen ist denkbar einfach. In nur vier Schritten liegt das Boot ruhig im Wasser.
Anschließend sollte dein Segelboot stabil in den Wellen liegen und du bist im „Beilieger“ angekommen.
Falls sich das Boot nach dem Manöver im Kreis dreht, steht eine der drei Komponenten (Großsegel, Fock oder Ruder) an der falschen Position. Ich spreche hier aus Erfahrung. Mir ist das beim Üben für den SKS auch passiert. Überprüfe als Erstes die Ruderstellung (so weit wie möglich nach Luv), daran liegt es häufig.
Zum Abschluss habe ich noch einen besonderen Tipp für dich. Man kann die Wende zum Einleiten des Manövers ja von Backbord nach Steuerbord oder umgekehrt fahren. Bei einer Wende von Steuerbord nach Backbord steht das Großsegel allerdings beim Beiliegen auf Backbord. Warum ist das wichtig? Naja, auch beim Beiliegen gelten die Ausweichregeln unter Segel. Begegnen sich zwei Schiffe, die das Groß auf unterschiedlichen Seiten haben, gilt „Backbordbug vor Steuerbordbug“. Liegt dein Segelboot also im „Backbordbug“ bei, musst du dir um das Ausweichen keine Sorgen machen.
Überzeugt?
Nun heißt es ausprobieren und üben. Versuche die Manöver einfach einmal in einer geschützten Ecke deines Segelreviers. Mich haben sie überzeugt. Damit werden sie auf meinen Segeltouren zu einem guten Begleiter und dem Mittel der Wahl, wenn es mal hektisch wird.
Hast du schon Erfahrungen mit dem Beiliegen und Beidrehen gesammelt? Kanntest du die Manöver schon? Verwendest du sie auch und wenn ja, wofür? Lass mich deine Meinung gerne in den Kommentaren wissen.
Ahoi und bis bald!
Links
Yacht.de Artikel – BEIDREHEN UND BEILIEGEN Seemannschaft, die Ruhe schafft – ein geniales Manöver (zum Artikel)
ADAC Artikel – Beiliegen bzw. Beidrehen mit der Segelyacht (zum Artikel)